ROSENHEIM. Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd intensiviert die Präventionsarbeit gegen betrügerische Telefonanrufe. Mithilfe regionaler Medien und gezielter Ansprache von potenziellen Opfern sowie deren Angehörigen soll eine weitere Sensibilisierung hinsichtlich der hinterhältigen Betrugsmaschen erreicht werden. Im Rahmen eines Pressegesprächs unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft Traunstein wurden regionale Medien über die aktuelle Lage bei den Phänomenen „Schockanruf“ und „Falsche Amtsträger“ informiert.
Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd beschreitet in der Warnung vor betrügerischen Telefonanrufen einen neuen Weg. Künftig werden regionale Medien sehr zeitnah über das Auftreten von betrügerischen Telefonanrufen informiert, um so bei potenziellen Opfern sowie deren Angehörigen eine weitere Sensibilisierung zu erreichen. Hintergrund der Präventionskampagne sind die tendenziellen Entwicklungen der vergangenen Monate auf den Deliktsfeldern der Betrugsphänomene „Schockanruf“ und „Falsche Amtsträger“.
Die Maschen der Täter zielen geschickt in die Richtung ab, das angerufene Opfer in der Folge zur Herausgabe von Bargeld und Wertgegenständen mit teilweise sehr hohen Gesamtsummen an völlig fremde, unbekannte Abholer zu bringen. Dabei geben sich die Täter in den allermeisten Fällen als Polizisten, Staatsanwälte, Richter oder Rechtsanwälte aus und gaukeln den Opfern beispielsweise erfundene Einbruchsgeschichten in der Nachbarschaft vor, aufgrund derer nun das Vermögen der Angerufenen durch die Polizei gesichert und überprüft werden müsse.
Auch die Masche „Kaution“ findet häufig Verwendung. Ein Anrufer gibt sich als Polizist aus und erzählt den Opfern von schweren Unfällen: „Hallo, hier ist die Polizei. Ihre Tochter sitzt neben mir. Sie hat einen schweren Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Kind gestorben ist. Sie muss dafür nun ins Gefängnis, außer sie kann sofort 50.000 Euro Kaution bezahlen.“ So oder so ähnlich lauten die Geschichten der Schockanrufer, die durch lautes Weinen oder Schluchzen der vermeintlichen Tochter im Hintergrund dramatisiert werden. Zielgruppe sind auch hier meist Seniorinnen und Senioren, welche dann, im guten Glauben und perfide hinter das Licht geführt, teilweise ihr ganzes Erspartes an die Betrügerbanden verlieren.
In der jüngeren Vergangenheit haben sich folgende Fälle ereignet, bei denen hauptsächlich Seniorinnen und Senioren Opfer von „Falschen Polizeibeamten“ oder „Schockanrufen“ wurden (Aufschlüsselung alphabetisch nach Landkreisen).
Landkreis Altötting - Mitte Dezember 2021
Ein falscher Polizeibeamter erzählte einer über 80 Jahre alte Frau in einem ersten Telefonat von der angeblichen Festnahme zweier Ganoven in ihrer Nachbarschaft. Bei den Ganoven habe man einen handschriftlichen Zettel mit der Adresse der Seniorin gefunden. Deshalb bestehe der dringende Verdacht, dass auch sie ganz bald von Einbrechern heimgesucht werde. Nun müsse die Polizei ihr Geld und ihre Wertsachen sicherstellen. Das Opfer wurde gezielt nach seinen Vermögensverhältnissen befragt. In mehreren weiteren Telefonaten brachten die Betrüger die Dame dazu, schließlich Bargeld, Schmuck, Goldbarren und Goldmünzen im Gesamtwert von etwa 160.000 Euro in einer Tasche vor ihre Haustüre zu legen. Die Tasche wurde in der Folge von einem angeblichen „Zivilbeamten“ abgeholt. Die Tat wurde erst am Folgetag in einem Gespräch zwischen der Frau und einem nahen Verwandten bekannt.
Wie in solchen Fällen üblich, übernahm die Ermittlungsgruppe (EG) Legendenbetrug der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd die weiteren kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Unter der Sachleitung der Staatsanwaltschaft Traunstein konnte durch gezielte, aufwendige Recherchen ein 21-jähriger Mann aus Baden-Württemberg als dringend tatverdächtiger Abholer der Tasche an der Haustür der Geschädigten ermittelt werden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ der zuständige Ermittlungsrichter einen Untersuchungshaftbefehl gegen den bulgarischen Staatsangehörigen. Die Ermittler der Kriminalpolizei konnten den jungen Mann am 12. Januar 2022 an seiner Arbeitsstätte in Baden-Württemberg verhaften und nach Bayern überführen. Derzeit wartet er in einer oberbayerischen Justizvollzugsanstalt auf seinen Gerichtsprozess, während die Ermittler mögliche weitere Tatbeteiligungen prüfen. Bisher konnte dem Beschuldigten schon ein Gesamtschaden von 452.000 Euro zugeordnet werden. Ihn erwartet voraussichtlich eine mehrjährige Haftstrafe sowie die Abschiebung in sein Heimatland. Nebenbei erwähnt: den Ausbildungsplatz bei seinem bisherigen Arbeitgeber hat er bereits verloren.
Landkreis Rosenheim - Mitte Januar 2022
An einem Vormittag unter der Woche erhielt ein 81-jähriger Mann aus dem östlichen Landkreis Rosenheim einen Anruf von einem angeblichen Polizisten der Polizei München. Während im Hintergrund eine weinende Frau schluchzend zu hören war, erzählte der Anrufer von einem Verkehrsunfall, den die Tochter des 81-Jährigen verursacht habe. Ein Radfahrer sei dabei ums Leben gekommen. Damit die Tochter nicht in Haft müsse, sei die Zahlung einer „Kaution“ von 80.000 Euro erforderlich.
Das Telefonat war offensichtlich derart professionell gestaltet, dass der 81-jährige vollkommen geschockt und von der Echtheit überzeugt war. Er teilte dem Anrufer mit, lediglich 40.000 Euro aufbringen zu können. Der angebliche Polizist am anderen Ende war nach einer kurzen Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft (die freilich auch frei erfunden war) einverstanden, weshalb sich der Rentner auf den Weg zu seiner Bank machte. Der Mitarbeiter der Bank durchschaute nach einem kurzen Gespräch mit dem älteren Herrn die Betrugsmasche und klärte ihn darüber auf. Zu weiteren Anrufen der Täter kam es nicht mehr. Die Polizeiinspektion Prien a. Ch. übernahm die Ermittlungen wegen versuchten Betrugs.
Landkreis Rosenheim - Mitte März 2022
Bei einer Dame im Alter von weit über 80 Jahren meldete sich telefonisch ein falscher Polizeibeamter von der angeblichen „Abteilung Bankenbetrug“. Wegen Einbrüchen in der Nachbarschaft wurde der betagten Frau in mehreren Telefonaten nahe gebracht, ihr Geld und ihre Wertsachen zur Überprüfung an die Polizei zu übergeben. Es bestehe der dringende Verdacht, dass es sich um Falschgeld handle und die Bank Teil einer Tätergruppe sei. Die Polizei müsse das Geld untersuchen und das Falschgeld aussortieren.
Die betagte Dame holte in der Folge 250.000 Euro in bar und fünf Goldbarren im Wert von etwa 150.000 Euro aus ihrem Bankschließfach. Nach weiteren Telefonaten erschienen zwei junge Männer in der Wohnung der Frau und holten das Geld und die Goldbarren ab. Anschließend verließen sie die Wohnung wieder zu Fuß in unbekannte Richtung.
Die Kriminalpolizei hat auch hier intensive Ermittlungen aufgenommen.
Landkreis Traunstein - Anfang März 2022
An einem Freitagnachmittag erhielt eine 80-jährige Frau einen Anruf ihrer angeblichen Enkeltochter, welche heulend ins Telefon schluchzte, einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht zu haben. Eine angebliche Polizistin stieg in das Telefongespräch mit ein und belehrte die angerufene 80-Jährige, dass sie der Verschwiegenheit unterliege und niemandem etwas von dem Telefonat erzählen dürfe. Es seien 80.000 Euro „Kaution“ erforderlich, um die Enkeltochter vor dem Gefängnis zu bewahren. Die schockierte Seniorin erklärte, lediglich 20.000 Euro in bar aufbringen zu können. Damit war die angebliche Polizistin einverstanden, weshalb geraume Zeit später ein unbekannter „Zivilpolizist“ an der Adresse der 80-Jährigen erschien und die 20.000 Euro entgegennahm. Anschließend entfernte er sich wieder in unbekannte Richtung.
Landkreis Traunstein - Mitte März 2022
Auch hier geschah die gleiche Betrugsmasche wie im vorgenannten Fall. Diesmal wurde eine über 90-jährige Dame Opfer des Schockanrufs (Tochter - tödlicher Verkehrsunfall - „Kaution“ erforderlich). Die betagte Seniorin übergab schließlich Bargeld und Schmuck im Wert von etwa 13.000 Euro in Tüten an ihrer Haustür an einen unbekannten Geldabholer, der in unbekannte Richtung flüchten konnte. Die EG Legendenbetrug hat die Ermittlungen übernommen.
Landkreis Traunstein - Mitte März 2022
Eine Dame im Alter von Mitte 70 aus dem nördlichen Landkreis Traunstein wurde an einem frühen Nachmittag von einem vermeintlichen Polizisten angerufen. Er teilte ihr mit, dass ihr Bruder einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe. Die Dame müsse nun eine Kaution für ihren Bruder bezahlen, damit dieser nicht ins Gefängnis müsse.
Nach einem ca. 45 Minuten langen Telefonat, erschien ein "Polizeipraktikant", welchem die Geschädigte 28.000 Euro übergab. Der unbekannte Geldabholer entfernte sich in unbekannte Richtung.
Festnahme von drei dringend Tatverdächtigen - Ende März 2022
Ende März 2022 kam es zu einer Betrugstat zum Nachteil einer Frau, Ende 70, im Raum Rosenheim. Aufgrund eines verursachten Verkehrsunfalls mit tödlichem Ausgang müsse die Tochter der Angerufenen ins Gefängnis. Dieser Umstand könne mit der Zahlung einer Kaution abgewendet werden. In weiterer Folge erschien ein zunächst unbekannter Mann, dem die Geschädigte 30.000 Euro an ihrer Wohnanschrift übergab. Kurz darauf wurde der Frau, Ende 70, der Betrug bewusst und sie erstattete Anzeige bei der Polizeiinspektion Rosenheim. Zur gleichen Zeit kontrollierten Zivilbeamte auf der Autobahn A 8 in Fahrtrichtung München nahe Irschenberg einen Pkw mit polnischer Zulassung. Bei der Kontrolle erhärtete sich aufgrund polizeilicher Recherchen der dringende Tatverdacht gegen die drei Insassen im Alter zwischen 24 und 28 Jahren, für die kurz zuvor stattgefundene Abholung der 30.000 Euro im Raum Rosenheim verantwortlich zu sein. Unter anderem konnte bei einem der Männer die Tatbeute aufgefunden und sichergestellt werden.
Die drei polnischen Staatsangehörigen wurden vorläufig festgenommen und auf Antrag der Staatsanwaltschaft Traunstein dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgeführt. Dieser erließ gegen alle drei Männer Untersuchungshaftbefehle, weshalb sie in Justizvollzugsanstalten eingeliefert wurden. Die EG Legendenbetrug prüft nun bundesweit, ob die Männer auch an ähnlich gelagerten Fällen beteiligt waren.
Die Polizei warnt vor den betrügerischen Telefonanrufen und gibt folgende Verhaltenstipps:
- Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, auch nicht durch angeblich dringende Ermittlungen, z. B. zu einem Einbruch in der Nähe oder einer dringend zu zahlenden Kaution! Die Polizei fordert niemals Bargeld, Überweisungen oder Wertgegenstände von Ihnen, um Ermittlungen durchzuführen! Legen Sie einfach auf!
- Geben Sie am Telefon niemals Auskünfte über ihr Hab und Gut, Ihr Bargeld und Ihre Wertgegenstände! Legen Sie einfach auf!
- Lassen Sie niemanden in die Wohnung, der sehen will, wo Sie Geld oder Schmuck aufbewahren!
- Rufen Sie nie über die am Telefon angezeigte Nummer zurück! Drücken Sie KEINE Wahlwiederholung. Legen Sie auf und wählen dann neu den Notruf 110!
- Erstatten Sie immer, auch im Versuchsfall, Anzeige bei Ihrer Polizeiinspektion!
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