Am Mittwoch, 1. August 1984, wurde der KPI Aschaffenburg gegen 13:15 Uhr mitgeteilt, dass eine Schwesternschülerin in ihrem Zimmer im Beschäftigtenwohnheim des Städtischen Krankenhauses, Lamprechtstraße 2, Aschaffenburg, tot aufgefunden wurde. Bei der Verstorbenen handelte es sich um die 19-jährige Maria KÖHLER. Nach den Angaben der Mitteilerin habe die Verstorbene seit Montag, 30. Juli 1984, bei ihrer Krankenhausstation und im Unterricht unentschuldigt gefehlt.
Aufgrund der zeitnah durchgeführten Obduktion wurde festgestellt, dass Frau KÖHLER durch einen um den Hals gelegten Schal erdrosselt worden war. Ein Tatverdacht richtete sich schnell gegen den ehemaligen Freund von Frau KÖHLER, den türkischen Staatsangehörigen Nazmi GEZGINCI..
Erste Ermittlungen zum Tathergang
Wie sich durch die ersten Zeugenbefragungen ergab, hatte sich Frau KÖHLER in der jüngsten Zeit vor ihrem Tod offensichtlich dem Zeugen und US-Soldaten John A. zugewandt. Daher kam es offenbar zu Streitigkeiten zwischen Frau KÖHLER und ihrem Ex-Freund GEZGINCI. Der Ursprung für die Streitigkeiten mit dem letztendlich tödlichen Ausgang dürfte daher im Bereich der Eifersucht zu suchen sein. Zudem erscheint die Tatsache, dass Maria KÖHLER keine Ehe mit GEZGINCI eingehen wollte, eine wichtige Motivation für Herrn GEZGINCI gewesen zu sein, diese zu töten. Durch das nicht mehr vorhandene Interesse an einer Ehe war Frau KÖHLER aus Sicht von Herrn GEZGINCI dafür verantwortlich, dass er die Bundesrepublik Deutschland wegen eines fehlenden Visums verlassen musste. Somit wurde ihm seine komplette persönliche, wie auch berufliche Perspektive genommen.
Tatverdacht gegen Nazmi GEZGINCI - Haftbefehl erlassen
Nachdem sich durch die kriminalpolizeiliche Einvernahme von mehreren Zeugen der Tatverdacht gegen Herrn GEZGINCI weiter erhärtete, wurde nach dem Erlass eines Haftbefehls durch das AG Aschaffenburg Kontakt mit nationalen und internationalen Ermittlungsstellen aufgenommen. Trotz aller kriminalpolizeilichen Bemühungen gelang es jedoch bis heute nicht, den Beschuldigten Nazmi GEZGINCI festzunehmen.
Der Tatverdacht gegen Nazmi GEZGINCI wird ferner durch sein Verhalten verstärkt, als er die Bundesrepublik Deutschland am 31. Juli 1984 fluchtartig verließ. Am Morgen dieses Tages kaufte sich der Beschuldigte beim Reisebüro Savuk in der Abflughalle B des Flughafens Frankfurt, Schalter 347, ein Flugticket der „Turkish Airlines“ von Frankfurt nach Istanbul. Hierfür entrichtete Herr GEZGINCI 420 DM in bar. Bei dem Ticket handelt es sich um ein sogenanntes One-Way-Ticket. Laut den durchgeführten Ermittlungen setzte sich Herr GEZGINCI um 12:35 Uhr mit dem Flug TK898 nach Istanbul ab. Die dortige Landung erfolgte um 17:00 Uhr türkischer Ortszeit. Seitdem verliert sich seine Spur.
Wie auch in anderen ungeklärten Mordfällen üblich wurde auch die Akte in diesem Fall nie vollständig geschlossen und immer wieder hinsichtlich neuer Ermittlungsansätze überprüft. Die Kriminalpolizei Aschaffenburg hat nun in enger Absprache mit der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wiederaufgenommen. Im Zuge dessen haben die Altfallermittler bereits eine Vielzahl von Zeugenvernehmungen durchgeführt und mehrere Asservate hinsichtlich neuer Untersuchungsmöglichkeiten überprüft und entsprechende Gutachten in Auftrag gegeben.
Tatverdächtiger festgenommen - 66-Jähriger macht Angaben
Im Rahmen der intensiven und akribischen Ermittlungen von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft ergaben sich schließlich Hinweise auf den mutmaßlichen Aufenthaltsort des Tatverdächtigen. In enger und guter Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden und dem Bundeskriminalamt gelang Ende Juli die Festnahme des 66-jährigen Nazmi GEZGINCI.
Dieser wurde am 12. September nach Deutschland ausgeliefert und am Folgetag einem Ermittlungsrichter am Amtsgericht in Aschaffenburg vorgeführt. Hierbei machte er bereits erste Angaben zum Tatvorwurf. Nach der Eröffnung des bestehenden Haftbefehls wurde er in eine Justizvollzugsanstalt eingeliefert.
Tatverdächtiger lebte wieder in Deutschland - Kripo hofft auf Hinweise
Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass Nazmi Gezginci im Zeitraum zwischen dem 01.07.1998 bis 31.12.2014 unter den Alias-Personalien Cemil GANI, 01.01.1950/Bahce, als türkischer Staatsangehöriger in Aschaffenburg gelebt hat. Er war mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und hat im Landkreis Aschaffenburg als Handwerker gearbeitet.
Nach seinem Aufenthalt in Aschaffenburg siedelte GEZGINCI wieder in die Türkei über und lebte dort bis zu seiner Festnahme in der Provinz Hatay. Über den zweiten Aufenthalt von Gezginci in Deutschland nach seiner Flucht im Jahr 1984 sind aktuell nur wenige Fakten bekannt.
Polizei und Staatsanwaltschaft richten die folgenden Fragen an die Bevölkerung:
- Wer kann konkrete Angaben zum zweiten Aufenthalt von Nazmi Gezginci alias Cemil Gani zwischen den Jahren 1998 und 2014 in Deutschland machen?
- Gibt es Zeugen, die persönlichen Kontakt zu Nazmi Gezginci alias Cemil Gani in den vorgenannten Zeitraum hatten?
- Wer kann Angaben über das persönliche Umfeld von Nazmi Gezginci, insbesondere das Verhältnis zu seiner Ehefrau und weiteren Familienangehörigen, machen?
Zeugen werden gebeten, sich über die kostenfreie Hinweisnummer, Tel. 0800/1011611, oder per E-Mail unter cold-case-maria@polizei.bayern.de an die Kriminalpolizei Aschaffenburg zu wenden. Hinweise werden auch persönlich auf allen Dienststellen der Polizei in Bayern entgegengenommen.